Rechtzeitige Nachlassplanung hilft, Streit zu vermeiden
In einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Postbank kommt es bei jeder sechsten Erbschaft (17 %) in Deutschland zu Streit. Dabei wurde in annähernd ¾ aller Fälle (73 %) als Grund für den Erbschaftsstreit genannt, dass sich einzelne Erben benachteiligt fühlten. Dies muss nicht die „böse Absicht“ des Erblassers gewesen sein. Denn hinterlässt dieser kein Testament, gilt die gesetzliche Erbfolge. Und die kann auch zu ungerechten Ergebnissen führen – gerade bei sog. Patchwork-Familien!
Im Ausgangspunkt gilt: Jeder hinterlässt einen oder mehrere Erben. Wer Erbe werden soll, kann durch Testament oder Erbvertrag geregelt werden. Anderenfalls gilt die gesetzliche Erbfolge.
Das gesetzliche Erbrecht richtet sich nach dem Grad der Verwandtschaft: Vorrangig erben Kinder oder – wenn diese bereits verstorben sind – die Enkel. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, erben Eltern oder Geschwister. Neben das Erbrecht der Verwandten tritt dabei stets noch das Erbrecht des überlebenden Ehegatten.
„Ein häufiger Irrglauben ist, dass Ehegatten allein erben“, weiß Daniel Wassmann von der Notarkammer Pfalz. „Das Gegenteil ist der Fall! Fast immer erben neben dem Ehegatten noch Verwandte des Verstorbenen mit, selbst wenn keine Kinder vorhanden sind.“ Ehegatte und Verwandte bilden dann eine Erbengemeinschaft, eine häufige Ursache für Streitigkeiten.
Bei Patchwork-Familien ist das Konfliktpotential besonders hoch: Es erben nämlich immer nur die Kinder oder sonstigen Verwandten, die mit dem Verstorbenen biologisch verwandt sind oder von diesem adoptiert wurden. Stiefkinder und Schwiegereltern haben hingegen kein gesetzliches Erbrecht.
Die möglichen Auswirkungen stellt Wassmann anhand eines Beispiels dar: „Nehmen wir Herrn und Frau Schmidt, in zweiter Ehe ohne Ehevertrag verheiratet, jeweils mit zwei Kindern aus erster Ehe und einem Vermögen von je 100.000 Euro. Stirbt zuerst Herr Schmidt, erbt seine Ehefrau zusammen mit seinen leiblichen Kindern aus erster Ehe. Frau Schmidt erbt 50.000 Euro, die Kinder jeweils 25.000 Euro. Verstirbt sodann auch noch Frau Schmidt, geht ihr Vermögen ausschließlich auf ihre leiblichen Kinder über. Diese sind damit insgesamt besser gestellt als ihre Stiefgeschwister, da im Nachlass ihrer Mutter auch noch der Erbteil nach Herrn Schmidt vorhanden war. Die Kinder der Frau Schmidt erben im Beispielsfall je 75.000 Euro. Das gesetzliche Erbrecht bevorzugt also klar die Kinder des Längerlebenden.“
Noch komplizierter wird die Situation, wenn der neue Ehegatte zum Alleinerben eingesetzt werden soll oder einzelne Kinder, z.B. aus erster Ehe, vollständig vom Erbe ausgeschlossen werden sollen. „In jedem Fall steht leiblichen Kindern der Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils zu“, gibt Wassmann zu berücksichtigen. Dabei ist auch zu beachten, dass eventuell der Ex-Mann bzw. die Ex-Frau zur Vertretung eines noch minderjährigen Kindes berufen ist und es somit zu einem besonders emotionalen Rechtsstreit zwischen dem alten und dem neuen Ehegatten des Verstorbenen kommen könnte.
Wassmann empfiehlt daher: „Es ist unbedingt erforderlich, die genaue Familiensituation auszuloten und zusammen mit dem Notar eine maßgeschneiderte Lösung im Einzelfall zu erarbeiten. Ein Patentrezept, das für sämtliche Familienkonstellationen gilt, gibt es nicht – Vorsicht daher vor Mustertexten aus dem Internet oder aus Erbrechtsratgebern!“