Erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder soll vervollständigt werden

Bundesregierung reagiert auf Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Das Bundesministerium der Justiz will die vollständige erbrechtliche Gleichstellung nichtehelicher Kinder vorantreiben. Die bisherige Ausnahmeregelung für nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, soll in Reaktion auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte weitestgehend beseitigt werden. Hieraus könnte sich für Väter nichtehelicher Kinder einschneidende Konsequenzen bei der Erbfolgeplanung ergeben.    

 

Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger hat einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem die erbrechtliche Gleichstellung sämtlicher nichtehelicher Kinder herbeigeführt werden soll.

Grundsätzlich wurde das Erbrecht nichtehelicher Kinder bereits mit einem Gesetz aus dem Jahre 1969 gesetzlich verankert. Seit dieser Zeit gehören auch nichteheliche Kinder zu den gesetzlichen Erben ihres Vaters. Allerdings besteht nach wie vor eine Ausnahme für nichteheliche Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden. Solche Kinder gelten als mit ihren Vätern nicht verwandt und haben daher keinen gesetzlichen Erbanspruch. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Regelung 1976 und 1996 für verfassungskonform erklärt.

Nachdem jedoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 28. Mai 2009 entschieden hatte, dass die Ungleichbehandlung ehelicher und nichtehelicher Kinder, die vor dem 1. Juli 1949 geboren wurden, gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoße, sieht sich die Bundesregierung nun zum Handeln gezwungen.

Nach dem Gesetzesentwurf werden für künftige Sterbefälle auch die vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kinder ehelichen Kindern gleichgestellt. Sie beerben ihre Väter also als gesetzliche Erben.

Allerdings soll dieses Erbrecht nicht zu Lasten von hinterbliebenen Ehefrauen gehen. Um deren Vertrauen in die frühere Regelung zu schützen, wird ihnen eine gesetzliche Vorerbschaft eingeräumt. Das bedeutet: Stirbt der Vater, erbt zunächst seine Ehefrau. Erst wenn auch diese stirbt, erhalten die betroffenen nichtehelichen Kinder ihren Anteil als Nacherbschaft.

Eine weitere Einschränkung ist für die Fälle geplant, in denen der Erblasser bereits vor dem Inkrafttreten der geplanten Neuregelung verstorben ist. Denn dann sind die erbrechtlichen Folgen bereits eingetreten; das Vermögen des Erblassers ist auf die nach alter Rechtslage berufenen Erben übergegangen. Wegen des Vertrauensschutzes soll es für nichteheliche Kinder, deren Väter bereits vor dem 29. Mai 2009 verstorben sind, grundsätzlich bei der früheren Rechtslage bleiben. Eine rückwirkende Anwendung der Neuregelung wäre damit auf solche Erbfälle beschränkt, die nach der oben genannten Entscheidung des EGMR eingetreten sind.    

„Es ist noch nicht sicher, ob und wann die geplante Gesetzesänderung realisiert wird“, betont Dr. Michael von Hinden von der Hamburgischen Notarkammer. Gleichwohl könne es bereits heute geboten sein, sich mit der eigenen Erbfolgeplanung auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob insoweit Handlungsbedarf bestehe. Väter von vor dem 1. Juli 1949 geborenen nichtehelichen Kindern sollten überlegen, ob sie bei ihrer bisherigen Nachlassplanung davon ausgegangen sind, diesen Kindern stünde kein gesetzliches Erbrecht zu. Sollen die nichtehelichen Kinder nicht Erben des Vaters werden, ist es erforderlich, dass sie in einem Testament oder Erbvertrag ausgeschlossen werden, so Dr. von Hinden.

Zu beachten bleibt jedoch, dass auch die nichtehelichen Kinder pflichtteilsberechtigt sind. Soweit nun im Einzelfall durch die geplante Neuregelung weitere Pflichtteilsberechtigte hinzukämen, kann dies dazu führen, dass ein evtl. fein austariertes System der Nachlassplanung nunmehr zu erheblich anderen Ergebnissen führt. Um diese Veränderungen möglichst weitgehend zu vermeiden und unerwünschte Pflichtteilsansprüche zu begrenzen, sollten sich Betroffene eingehend beraten lassen, und ihre Testamente / Erbverträge ggf. anpassen. Dies kann insbesondere in solchen Fällen geboten sein, in denen Anteile an einem Unternehmen zum Vermögen gehören.